Auf internationalen Konferenzen redet man inzwischen mehr über den Kremlchef als mit ihm. Wladimir Putin erlebt eine Schwächephase: Mit seiner gescheiterten Offensive bei Charkiw hat er sich militärisch verzettelt, die russische Wirtschaft leidet deutlicher als gedacht. Und in Kürze könnten auch noch F16-Jets seine betagten Bomber verscheuchen.
Erst das G7-Treffen in Italien, jetzt die Friedenskonferenz in der Schweiz, am 9. Juli dann der Nato-Gipfel in Washington: Überall geht es um Russland. Aber Russland ist nicht dabei.
Wladimir Putin wurde das alles offenbar zu viel. Am Freitag versuchte er, Aufmerksamkeit und Autorität zurückzugewinnen – und sprach plötzlich von einem Angebot für einen Waffenstillstand. Mit bedeutungsvoller Miene setzte sich der Kremlchef vor die Kameras seines Staatsfernsehens, als wolle er feierlich das Ergebnis einer Ein-Mann-Friedenskonferenz bekannt geben, die er mit sich selbst abgehalten hat.
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Was Putin sich wohl als politischen Paukenschlag ausgedacht hatte, verhallte relativ klanglos. Im Internet spendeten zwar wie üblich die russisch gesteuerten Accounts und deren Trolle den erwartbaren Applaus. Auf der echten Weltbühne aber nimmt den Vorstoß niemand ernst – abgesehen von einigen Moskau-treuen Figuren wie Sahra Wagenknecht.
Wagenknechts Inkompetenz bei der Beurteilung Putins steht allerdings zweifelsfrei fest. Am 20. Februar 2022 sagte sie in der ARD-Sendung „Anne Will“, der russische Präsident habe „faktisch kein Interesse daran, in die Ukraine einzumarschieren, natürlich nicht“. Sie fügte hinzu: „Wir können heilfroh sein, dass Wladimir Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird: ein durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben.“ Zwei Tage später begann Putin dann den schlimmsten Krieg, den Europa seit 1945 erlebt hat.
Wer seinen jetzt vorgelegten Friedensplan überhaupt als Friedensplan diskutiert, macht einen Fehler. Das politisch Interessante seines Auftritts liegt eher im Ungesagten: Man spürt, dass der russische Präsident in diesem Frühsommer 2024 in die Defensive geraten ist. Dafür gibt es mehrere Gründe: militärische, ökonomische und politische.
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Viele Staaten empfinden Russlands Krieg gegen die Ukraine als politischen und ökonomischen Störfaktor für die eigene Entwicklung. Ein Beispiel: Als Putin durch die Blockade ukrainischer Schiffe im Schwarzen Meer einen Weizenkrieg anzetteln wollte, intervenierte die Türkei – und bekam dafür Applaus von afrikanischen Staaten, die um die Stabilität ihrer Getreidepreise bangten. Putin hatte auf einhellige Unterstützung aus dem globalen Süden für seinen Kampf gegen den bösen Westen gehofft. Doch diese Rechnung ging nicht auf: Die meisten Länder des Südens halten sich einfach raus, warten den Ausgang des Kräftemessens ab – und setzen auf eine friedliche Lösung.
„Die Schweiz ist nicht mehr neutral, sondern offen feindselig“, schimpft Putins Außenminister Sergej Lawrow und nennt den Friedensgipfel die „Frucht einer kranken Einbildung“. Tatsächlich aber ist es Russland, das in seinem nationalistischen und militaristischen Wahn die weltpolitischen Stimmungen und Strömungen verkennt.
In den Debatten bislang unbeteiligter Staaten spielt inzwischen ein ebenso klassischer wie bestechender Gedanke eine Rolle, der auch schon zur Beilegung von Konflikten auf der Südhalbkugel der Erde beitrug: Könnte nicht einfach der Aggressor seine Truppen zurückziehen auf sein eigenes Gebiet? Dann wäre der Krieg sofort vorbei. Dass simple Überlegungen dieser Art sich weltweit breitmachen, fürchtet Putin wie der Teufel das Weihwasser. Es erklärt seine wachsende Wut – und seine wachsende Unsicherheit.
Noch lieber wäre mir, wenn man sie gar nicht mehr in Talkshows auftreten ließe.